Der Kapitalismus hat versagt

Das grosse Finale des digitalen Realitätsabgleichs, unseres grossen Jahresrückblicks: Wir sind uns so einig wie noch nie – sowohl bei den Aufsteigern als auch bei den Absteigern. Aber darf das nach 2023 wirklich wundern? Es gab schliesslich zwei Themen, die alles andere überstrahlt haben.

Aber zum Glück haben wir Kevin: Er sorgt dafür, dass diese Sendung nicht zu einträchtig ausfällt – er hetzt auch ChatGPT auf uns, auf dass der Chatbot unsere Nominationen hinterfragen und selbst eigene (höchst unbescheidene) Vorschläge aufstellt.

Zum Abschluss dieses Nerdfunk-Jahres haben wir die schöne Pflicht, allen unseren Hörerinnen und Hörern für die Treue zu danken und euch alles Gute zu wünschen: Geniesst die Feiertage, schaut zu, dass Elon Musk nicht an eure Weihnachtsfeier crasht, euch ChatGPT nicht schräg von der Seite anquatscht und die richtigen Gadgets unter dem Baum liegen.

Absprung ins Fediversum

Twitter ist in Aufruhr: Seit Elon Musk das soziale Netzwerk endgültig übernommen hat, ist die Stimmung schlechter als je zuvor: Trolle tun alles, um auszuloten, wo die Grenzen der «freien Meinungsäusserung» liegen – und ob die Moderatoren noch in der Lage sind, jede noch so primitive Hassbotschaft zeitnah zu löschen. Gleichzeitig ist der Chef kein Vorbild – Musk teilt selbst Verschwörungstheorien und reisst ein Bild eines Wehrmachtssoldaten aus dem Kontext.

Das wird vielen eingefleischten Nutzern zu bunt. Sie wandern ab oder prüfen zumindest die Alternativen. Eine Ausweichmöglichkeit liegt auf der Hand: Sie heisst Mastodon und funktioniert ganz anders, als wir es uns bei Twitter, aber auch Facebook, Instagram, Tiktok oder Linkedin gewohnt sind: Dieses Netzwerk basiert auf offener Software und auf Servern, die nicht von Unternehmen, sondern von Privatpersonen und Organisationen betrieben werden. Diese Server nennt man auch Instanzen und ihr Verbund heisst Fediversum.

Zu dieser föderierten Struktur gehört nicht nur Mastodon, sondern auch andere Plattformen, die die gleichen Protokolle verwenden. Einige davon sind manchen von uns noch bekannt, zum Beispiel Identi.ca oder Diaspora. Von anderen haben wir wahrschenlich noch nie gehört, namentlich Friendica und Hubzilla.

Ist das Fediversum die Zukunft der sozialen Medien oder bloss ein Nerd-Auswuchs, der ausserhalb der Tech-Freaks niemanden interessiert? Darüber sprechen wir mit einem alten Bekannten, nämlich Raoul René Melcer, der während unseren Anfängen fester Bestandteil des damaligen Digitalmagazins war. Er ist @kubikpixel@chaos.social auf Mastodon und mit 2000 Followern so etwas wie ein Influencer auf der Plattform.

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-637/

Instagram ist tot

Im April haben wir nach einer intensiven Diskussion entschieden, Instagram nicht von unseren Smartphones zu löschen. Doch wir kommen nicht darum herum, uns der Frage nach dem «Wie weiter?» noch einmal mit Vehemenz zu stellen.

Denn Instagram verändert sich rasant: Videos statt Fotos und ein Vorschlags-Algorithmus, der anstelle die persönliche Beziehung von Followern und Gefolgten tritt. Ist das vielleicht sogar das Eingeständnis, dass die Idee der sozialen Medien gescheitert ist, wie es die «Süddeutsche Zeitung» vor ein paar Wochen angedeutet hat?

Auf alle Fälle scheint es so zu sein, dass es schon lange nicht mehr um unsere Fotos geht – und noch nicht einmal mehr um die Zufriedenheit der Influencer, die die Werbe-Maschinerie am Laufen halten. Nein, es geht um die globale Dominanz, und im Kampf gegen das chinesische Tiktok ist Mark Zuckerberg zum Äussersten bereit.

Das sei «Turbokapitalismus und gleichzeitig Turbo-Planwirtschaft im Reich der Ideen» – und auch ein Ausdruck, dass die Tech-Konzerne keine Innovationen mehr hervorbringen, sondern nur noch versuchen, sich gegenseitig die lukrativsten Ideen zu klauen.

Was bleibt uns Nutzerinnen und Nutzern noch? Kapitulation – oder ist das jetzt die grosse Chance für jene Startups, die alles besser machen?

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-629/

Zuckerberg-Opfer oder einfach Masochist?

Die allermeisten Facebook-Nutzer sind frustriert. Instagram ist nur noch eine Influencer-Horrorshow. Und Twitter hat seit dem Übernahmeversuch durch Elon Musk viele Freunde verloren. Die überwiegende Mehrheit von uns sind unzufrieden mit unseren sozialen Medien.

Trotz des Unmuts haben Konkurrenten kaum eine Chance. In den letzten Jahren sind diverse neue Plattformen so schnell gegangen, wie sie gekommen sind. Das, trotz allen Versprechen, mehr auf die Nutzer, den Datenschutz und die Diversität Rücksicht zu nehmen. Da stellt sich die Frage? Sind wir selbst schuld an unserer Misere, weil wir passiv alles mit uns geschehen lassen, statt toxischen Orten wie Facebook den Rücken zu kehren?

Diese These hat Mathias Möller in einem Artikel aufgestellt. Er ist Social-Media-Redaktor bei Tamedia und verteidigt seinen Standpunkt im Nerdfunk. Denn Matthias ist überzeugt, dass nicht wir Nutzer schuld seien – denn was nützt die besten neue Social-Media-Plattform, wenn wir dort keinen von unseren Freunden vorfinden.

Wie liesse sich dieses Dilemma lösen? Und wie schaffen wir es in eine bessere Social-Media-Zukunft? Das sind die Fragen, die wir in dieser Sendung erörtern.

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-624/

Unsere Hassliebe mit Instagram

Instagram gibt es seit 2010. In den letzten zwölf Jahren hat das soziale Netzwerk für Fotografie einen enormen Wandel durchgemacht. Es sind neue technische Möglichkeiten dazugekommen, die man nicht immer, aber häufig von der Konkurrenz abgekupfert hat. Aus einer ehemals kleinen Foto-Community ist ein riesiges soziales Netzwerk geworden – und eine Geldkuh (Cashcow) par excellence: 2019 soll es für einen Viertel des Umsatzes beim Facebook-Mutterkonzern Meta verantwortlich gewesen sein. Das sind satte zwanzig Milliarden US-Dollar.

Auf Instagram tummeln sich heute die Schönen und Einflussreichen, und originelle Bildkunst ist längst nicht mehr so gefragt wie geleckte Selbstinszenierungen und das Direktvermarkten von Produkten, Dienstleistungen und der angeblich so begehrenswerten Lebensweise der Influencer. Im Schlepptau dieser Entwicklung hat sich Meta eine Reihe von Problemen eingehandelt: Instagram gilt als Hort für oberflächlichen Slacktivismus – also für politische Kundgebungen von Leuten, die zu faul sind, sich an eine Demo zu bemühen. Und vor allem gibt es für die jungen Nutzer eine Reihe von Gefahren: Instagram beeinträchtigt die mentale Gesundheit von Teenagern, kann zu Stress, Sucht und Magersucht führen, Einsamkeit und soziale Ausgrenzung fördern und das Wohlbefinden junger Menschen auf vielerlei Weise gefährden. Und das schlimmste: Eine interne Studie beweist, dass Meta über diese Risiken Bescheid weiss, aber wegen des Umsatzes nicht gewillt ist, etwas dagegen zu tun.

Es ist darum Zeit, die Probleme zu adressieren und uns zu fragen, ob Instagram nebst Facebook und (vielleicht) Twitter ein weiteres gescheitertes soziales Netzwerk ist – oder ob man, mit einer vernünftigen Nutzungsweise, der Plattform doch etwas Vernünftiges abgewinnen kann.

Wir lesen den digitalen Kaffeesatz

Manche von uns werden vom Omikron-Blues geplagt – und mancherorts ist die leichte Hoffnung zu spüren, dass auf die grossen Fallzahlen eine Entspannung folgt.

Verhaltener Optimismus herrscht auch im Nerdfunk-Team: Wir rechnen zwar nicht damit, dass schon in diesem Jahr das Metaversum über uns hereinbricht. Doch abgesehen davon gibt es viele interessante Entwicklungen: Das smarte Home dürfte Fortschritte machen. Mit grossen, faltbaren Bildschirmen ergeben sich mobil und stationär neue Arbeitsmöglichkeiten. Leistungsstarke und sehr kompakte Beamer eröffnen neue Unterhaltungsmöglichkeiten.

Und vielleicht bringt Apple dieses Jahr endlich seine smarte Brille, wie einige (manchmal gut, manchmal nicht so gut informierte) Analysten behaupten.

Darüber wollen wir diskutieren: Was ist von 2022 zu erwarten? Sehen wir Durchbrüche bei den Quantencomputern, neue Kryptowährungen und -anwendungen, tolle soziale Netzwerke wie Trumps Truthsocia.com und vielleicht endlich das papierlose Büro? Wir tragen die Prognosen zusammen und lesen im digitalen Kaffeesatz.

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-599/

Wir haben es kaputtgemacht

Wir nähern uns dem fulminanten Ende unseres Jahresrückblicks: Nachdem wir die Tops und Flops bei den digitalen Inhalten verkündet haben, geht es ans Eingemachte – zu den Absteigern und zu den Aufsteigern.

Und auch wenn das jetzt ein fetter Spoiler ist, kann es nicht als Überraschung kommen, dass wir uns wohl zum ersten Mal in der Geschichte unserer Sendung einig sind – zumindest beim Absteiger. Wir formulieren es unterschiedlich, doch wir meinen das gleiche: Die Beziehung zwischen uns Menschen und dem Internet, die sich in diesem Jahr als eine höchst ungute entpuppt hat. Statt zur Völkerverständigung und Demokratisierung beizutragen, haben wir eine Hassmaschine fabriziert und das freie, aufklärende Internet kaputtgemacht.

Umgekehrt sind wir uns beim Aufsteiger nicht nur uneins, sondern geradezu komplementärer Meinung – zumindest, was einen der Aufsteiger angeht. Da gehen die Meinungen so weit auseinander, dass wir diesen Disput wohl ins neue Jahr und in eine Extrasendung tragen werden. Aber gut, es wird auch sonst so sein, dass uns einige Hinterlassenschaften von 2021 auch 2022 noch begleiten werden.

Wie immer zum Abschluss ein persönliches Wort an unsere Hörerinnen und Hörern: Herzlichen Dank für die Treue und das Vertrauen, das wir auch im nächsten Jahr nach Kräften erfüllen möchten. Es würde uns freuen, wenn ihr uns 2022 weiterhin die Stange haltet. Wir wünschen Omikron zum Trotz erholsame Feiertage, einen guten Rutsch und einen gelungenen Start ins neue Jahr.

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-598/

Die sozialen Medien abrüsten

Die sozialen Medien sind in Aufruhr: Kein Tag vergeht, an dem nicht die Diktatur angeprangert wird, in der wir angeblich leben und Leute sich zensuriert fühlen, obwohl sie auf Facebook ihr Publikum ungestört mit den absurdesten Behauptungen behelligen dürfen. Ein widerwärtiger Nazivergleich jagt den nächsten – und wir fragen uns: Wer setzt diesem Treiben endlich ein Ende?

Genau darüber diskutieren wir in der heutigen Sendung. Denn es scheint so, dass uns Vernünftigen – die wir nach wie vor die grosse Mehrheit stellen –, diese Aufgabe zufällt. Doch wie tun wir das am besten? Wie stellen wir es an, dass die Leute erkennen, dass Facebook nur dann Sinn ergibt, wenn wir möglichst nüchtern und sachlich diskutieren, die persönlichen Beleidigungen auf ein Minimum beschränken und dafür sorgen, dass der eigene Frust – so verständlich er auch sein mag –, nicht die Timeline aller Freunde vergiftet?

Wir haben leider kein Patentrezept, doch einige Ideen und Vorschläge für eine Deeskalationsstrategie.

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-588/

Meinungsfreiheit versus Hetze und Hass

Nach den unfassbaren Ereignissen, die sich letzte Woche in und um das Capitol zu Washington zugetragen haben, kommen wir nicht umhin, das neue Nerdfunk-Jahr mit einer Sendung zu diesen Ereignissen zu beginnen.

Wir beschäftigen uns damit, wie uns die sozialen Medien über den Sturm aufs Kongressgebäude informiert und wie wir diese Flut an Information, Meinungen und Memes verarbeitet und verkraftet haben. Was ist von der Inszenierung zu halten? Welche Bedeutung haben die Memes: Helfen sie bei der Verarbeitung oder sind sie eine gefährliche Verharmlosung?

Nach dem Rauswurf von Trump bei Twitter und Facebook stellt sich die Frage, ob dieser Schritt nun richtig, längst überfällig oder aus Sicht der Meinungsfreiheit doch ein Fehler war. Und wir beschäftigen uns mit der alten Frage, wie die sozialen Medien zu kontrollieren wären? Vielleicht mittels einer Idee, die derzeit in Deutschland diskutiert wird und die einem  Plattform-Rat die Entscheidungsgewalt darüber gäbe, was erlaubt ist und was nicht.

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-555/

Das himmelblaue Chilbimonster

Das war ein Skandal mit Ansage: Im März 2018 enthüllten mehrere Medien, gestützt auf den Whistleblower Christopher Wylie, wie die dubiose Datenanalysefirma Cambridge Analytica persönliche Informationen von Millionen Facebook-Nutzern absaugen konnte. Diese Daten wurden im US-Wahlkampf 2015 für die Präsidentschaftskandidatur des republikanischen Sentators Ted Cruz verwendet, um Wähler mit massgeschneiderten politischen Botschaften einzudecken. Und sie haben offenbar 2016 auch bei der Brexit-Abstimmung eine Rolle gespielt.

Facebook geht unvorsichtig mit den Nutzerdaten um: «Wen wundert es?» fragen sich die einen. «Jetzt ist Facebook zu weit gegangen», wettern die anderen – und die Empörung ist bei allen gross. Wir gehen der Sache nüchtern auf den Grund, bewerten das Ausmass und diskutieren Forderungen: Was ist passiert und wie gross war und ist der Einfluss des sozialen Netzwerks bei Abstimmungen und Wahlen? Braucht es Massnahmen? Müssen wir – Stichwort #DeleteFacebook – alle Zuckerberg den Rücken kehren? Braucht es politische Massnahmen oder einen kompletten Neuanfang in Sachen Social Media?

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-430/