Amateurliga war gestern – jetzt wird Kohle gescheffelt

Die Zeit der Unschuld ist vorbei: Die grossen Streaming- und Tech-Konzerne sind dabei, die Podcasts der Kinderstube zu entreissen und der kapitalistischen Marktordnung zuzuführen. Spotify, Apple und Amazon wollen den Markt unter sich aufteilen, mit den Premium-Abos eine Monetarisierungsgrundlage schaffen und mittels Provisionen kräftig mitverdienen.

Die Macher der ersten Stunde zeigen sich frustriert: Sie bedauern die Entwicklung und sehen ihre Pionierarbeit in Gefahr – aus einem Produkt des freien, demokratischen Internets wird ein Instrument zum Kohlescheffeln für die Konzerne.

Aus Sicht der Hörer konstatieren wir, dass es Grund fürs Bedauern gibt: Wir müssen uns immer mehr Werbung anhören, für Premium-Inhalte zahlen – und viele Podcasts verschwinden aus dem freien Netz in Anbieter-Apps und hinter Bezahlschranken. Doch ist das nicht zu verkraften, wo das Angebot nicht nur immer grösser, sondern auch immer besser, aufwändiger produziert und professioneller wird?

Wie nicht anders zu erwarten, ist die Entwicklung auch für die Macher ein zweischneidiges Schwert: Wer einen Podcast produziert, hat Chancen, das nicht nur als Hobby zu betreiben, sondern womöglich auch Geld damit zu verdienen. Doch der Kampf um Aufmerksamkeit wird hart und härter. Wer wie sich wie vor 15 Jahren einfach einmal ausprobieren will, wird feststellen müssen, dass man so kein Publikum mehr erreicht.

Wir analysieren und ziehen Bilanz, wie nach dem Blogging eine weitere Errungenschaft des freien Netzes eine erstaunliche Metamorphose durchläuft und kaum mehr wiederzuerkennen ist: Muss die Idee des freien, demokratischen Netzes nun endgültig für tot erklärt werden?

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-574/

Mord und Totschlag als Wegbereiter

Vor zehn Jahren waren die Podcasts die Zukunft des Radios und es herrschte eine wahre Aufbruchstimmung: Jederman konnte aus seinem Wohn- oder Schlafzimmer ins weite Internet hinaussenden: Davon versprach man sich eine echte Graswurzelrevolution: Ein neues Medium, das persönlicher, vielfältiger und tiefgründiger sein würde, als das Kommerzfernsehen, Dudelfunk und Formatradio je sein würden.

Diese Hoffnungen sind nach wenigen Jahren auf der Strecke geblieben. Einerseits zelebrierten die Podcaster ihre Rolle als Vertreter der Gegenkultur derartig inbrünstig, dass sich das Massenpublikum lieber Youtube zuwandte – wo heute die gut verdienende Stars und Sternchen zu finden sind. Andererseits hat die Werbeindustrie das neue Format links liegen lassen: Die Shows brachten zu wenig Reichweite und waren damit kaum zu finanzieren. Es blieb beim Nischendasein – selbst wenn es kaum ein Medium gibt, mit dem sich das Publikum so stark identifiziert.

Und dann, als Podcast fast schon abgeschrieben schien, kam «Serial». Das war ein Spin-off der in Chigaco ausgestrahlten Radiosendung «This American Life», das dem Medium neues Leben einhauchte: Podcasts müssen sich nicht durch schäbige Tonqualität, unendliches Gelaber und Fachsimpeleien auszeichnen – Podcasts können so spannend sein wie eine Krimiserie im Fernsehen. «Serial» erzählte die Geschichte eines Mordes und eines verurteilten Mörders – wie ein Hörspiel, aber mit einer wahren Geschichte, und aufwändig mit Musik, O-Tönen, Interviews und einer persönlichen Erzählstimme zur dichten Collage montiert.

Und plötzlich war das Podcast-Fieber wieder da – nicht nur bei den Hörern, sondern sogar bei der bis anhin so indifferenten Werbeindustrie. Podcasts, sie liefern eine neue, moderne Erzählform und sind ein hervorragendes Mittel, um den Hunger nach Geschichten bei einer jungen, modernen Hörergeneration zu stillen – bei Leuten, die pendeln, häufig unterwegs sind und selbst bei der Hausarbeit intelligent unterhalten werden wollen.

Die Links zur Episode: : https://nerdfunk.ch/nerdfunk-402/