Kakofonie im Netz

Eine grosse Errungenschaft des Web 2.0 war die Kommentarfunktion. Sie macht Medien, die vorher von der hohen Kanzel herabgepredigt haben, zu Diskussionsplattformen. Journalisten predigen nicht mehr von der Kanzel herab, sondern befinden sich auf Augenhöhe mit den Leserinnen und Lesern. Sie werden vom Publikum beim Wort genommen, korrigiert, widerlegt oder unterstützt. Wie haben wir uns damals gefreut: Das Web demokratisiert! Es verleiht den Leuten eine Stimme, auch wenn sie zufällig keine Druckerei oder Radiostation besitzen. Es ebnet den Weg zu einer reifen Mediendemokratie, die uns alle mündig und die Welt besser macht.

Nun, inzwischen fragen wir uns, wie wir uns so irren konnten. Der Ton in den Kommentarspalten ist rauer, als wir uns das jemals vorstellen konnten. Da wird gegiftelt, gezündelt, mit Zynismus operiert, mit Lügen um sich geworfen und auf den Mann – und vor allem auf die Frau und auf Minderheiten – gespielt. Die Kommentarspalten werden von politischen Akteuren instrumentalisiert, von Bots heimgesucht und von Leuten mit Anstand und Respekt inzwischen mehrheitlich gemieden. Auch haben viele Medien erkannt, dass der gehässige Ton auf sie selbst zurückfällt und die Online-Kommentarbereiche geschlossen.

Wir haben nicht mit den Trollen gerechnet, die jede Diskussion zum Entgleisen bringen. Und nicht mit dem Hass, der anonym oder mit voller Namensnennung gesät wird. Es ist darum an der Zeit, selbstkritisch über unsere Ideale zu sprechen. Das tun wir mit Matthias Möller, der beim Tagesanzeiger die Social-Media-Kanäle und die Community betreut. Wir versuchen uns an einer Analyse, fragen Matthias, wie er mit den Trollen verfährt – und wie man das Problem auch noch in den Griff bekommen könnte, ohne gleich zum alten System der von der Redaktion kuratierten Leserbriefe zurückzukehren.

Die Links zur Episode: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-405/

Warum dieser Videowahn?

Journalismus ist weiterhin kein Hochprofit-Geschäftsfeld, doch ein kleiner Hoffnungsschimmer ist ganz weit hinten am Horizont immerhin auszumachen – und der ist erst noch multimedial. Es handelt sich um das bewegte Bild, dass immer öfters auch auf klassischen Nachrichtenprotalen anzutreffen ist. Persoenlich.com hat schon 2016 den Ringier-Chef Marc Walder mit den Worten «Newsplattformen werden immer mehr zu Videoplattformen» zitiert.

Jan Derrer erklärt uns diesen Trend: Geht es nur um die zusätzliche Monetarisierungsmöglichkeit durch die Preroll, also den vorgeschalteten Werbeclip, oder gibt es auch echte journalistische Gründe? Was kann das Video, was ein herkömmlicher Artikel nicht kann?

Jan Derrer leitet seit September 2016 das Kompetenz- und Service-Center für Webvideo bei der Tamedia, das Videos für alle Deutschschweizer Titel produziert, also nicht nur für tagesanzeiger.ch, 20 Minuten und die anderen Newsnet-Titel, sondern auch für «Annabelle», «Finanz und Wirtschaft» und «Schweizer Familie». Er erklärt uns, wie sein Team arbeitet und sich die Videos, die er für die einzelnen Titel produziert, unterscheiden.

Natürlich interessiert uns auch, wie ein klassischer Videoclip auf einer Newsseite gestrickt sein muss, dass er das Publikumsinteresse weckt – und wie sich diese Arbeitsweise von der des Fernsehens unterscheidet. Und: Wie bekommt man diese viralen Videos hin, die sich im Netz verselbstständigen? Jan Derrer ist seinerzeit zusammen mit Tagesanzeiger-Kultur-Redaktor Philippe Zweifel ein solcher Hit gelungen – dank George R.R. Martin, der publikumswirksam den Mittelfinger gereckt hat.

Und da wir eine Tech-Sendung sind und bleiben, wollen wir zum Abschluss wissen, wie man seine Videos noch etwas besser hinbekommt, als das typische Smartphone-Gewackel – selbst wenn man nur mit dem Telefon dreht.

Die Links zur Sendung: https://nerdfunk.ch/nerdfunk-384/